Von Türsteher und Vergnügungssuchenden
Die Nacht ist schon lange nicht mehr nur dafür da zu schlafen. Gerade in Großstädten wie Berlin bedeutet Nacht für viele eine Zeit für Vergnügen. Die Nacht bietet viele Möglichkeiten. Wir können unserem Alltags-Ich entfliehen, die brave Bürokleidung in den Schrank verbannen und uns in die Person verwandeln, die wir wirklich sind oder gerne sein würden. Die Nacht bietet Freiräume um sich gehen zu lassen und die Hemmschwelle für den Konsum von Alkohol und anderen Drogen sinkt. Wir gehen auf die Suche nach Abenteuer, nach Fallen lassen im Kegel flackernder Clublichter, nach Selbstvergessen bei lauter Musik und nach neuen Bekanntschaften.
Doch diese Verlockungen der Nacht haben auch ihre andere Seite. Wo Freiheit und Abenteuer ist, da lauern auch Gefahren. Gerade wenn Alkohol im Spiel ist steigt das Risiko für Aggressionen und Übergriffe. Gerade für Frauen kommt das Vergnügen der Nacht immer mit einem fahlen Beigeschmack, aber auch Männer sind davor nicht gefeit. So ist die Nacht meistens irgendwie auch verbunden mit Angst.
Am Mittwoch Abend stellte Christine Preiser vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht eine Berufsgruppe vor, die Nacht für Nacht am „Vergnügen“ teilnimmt, um für Sicherheit zu sorgen und dabei einen schlechten Ruf hat: die Türsteher. 40 Nächte lang hat Christine Preiser im Rahmen ihrer Doktorarbeit Türsteher in drei Clubs beobachtet um mehr zu erfahren, wer diese Menschen sind, was sie bewegt, diesen Job zu machen, und wie ihr Arbeitsalltag (oder besser ihre Arbeitsnacht) aussieht. Von ihren Eindrücken berichtete sie gestern Abend im Berliner Kunstcafé Klötze und Schinken im Rahmen der Vortragsreihe Nachtungen.
Das erste Thema ihres Vortrags war „Wie wird man eigentlich Türsteher?“ Dazu gehörte auch die Frage, wer wird eigentlich Türsteher. Die Antwort war überraschend: es gibt nicht DEN Türsteher. Manche sind Studenten, die sich was dazu verdienen wollen, andere sind irgendwann in den Job reingerutscht, weil sie von einem Bekannten angequatscht wurden. Einige waren Stammgäste im Club und wurden requiriert, weil gerade ein Türsteher fehlte. Die meisten sind Männer, manche machen den Job schon seit Jahren, andere steigen nach ein paar Monaten wieder aus.
Ein richtiger Beruf ist Türsteher nicht. Es gibt keine Ausbildung dazu und keinen Berufsverband und keine Gewerkschaft. Türsteher bewerben sich nicht, sie werden angesprochen, wenn ein Club Bedarf hat. Ausgesucht werden Leute, die man kennt, denn Türsteher müssen zuverlässig sein. In einer kritischen Situation muss das Team zusammenarbeiten und die Kollegen müssen sich aufeinander verlassen können. Sie müssen die Sprache des anderen verstehen.
Sprache, vor allem Körpersprache ist ein essentielles Thema für Türsteher. Gegenüber dem Gast und gegenüber den Kollegen. Ein Türsteher muss überzeugend wirken, vor Allem, wenn es mal heikel wird. Er muss klar machen, dass er sich durchsetzen wird, wenn ein Gast Ärger macht. Er muss aber auch de-eskalieren können um den Ärger zu vermeiden und bei Streitigkeiten dazwischen gehen, bevor wirklicher Schaden passiert. Auf der anderen Seite muss er seinen Kollegen klare Zeichen geben. Ist die Situation unter Kontrolle oder bahnt sich etwas an? Braucht er Hilfe? Und er muss die Körpersprache seiner Kollegen verstehen. Türsteher sind keine Einzelkämpfer, sondern Teamplayer mit hohen sozialen Kompetenzen. Auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheint.
Doch wozu ist er eigentlich da, der Türsteher? Für die meisten Gäste hat er ein eher schlechtes Image. Das ist der Typ, der mich nicht in den Club lässt, weil ich nicht cool genug bin. Sicher, es gibt diese Clubs, die sich über Coolness-Faktor und Exklusivität definieren. Doch in den meisten Clubs haben die Türsteher eine ganz andere Aufgabe: sie sorgen dafür, dass sich die Gäste wohlfühlen. Klingt unlogisch? Christine Preiser berichtete, wie Türsteher potentielle Gäste beurteilen und die Leute herausfiltern, die Ärger machen können. Wie sie dazwischen gehen, wenn es Prügeleien gibt. Wie sie verhindern, dass die Stimmung im Club kippt, oft lange bevor die Gäste mitbekommen, dass da ein Problem entsteht. Vielleicht ist das auch das Problem der Türsteher: wenn sie ihren Job gut machen bekommt keiner mit, wie wichtig sie sind für den Frieden im Club. Denn nicht alle Vergnügungssuchenden suchen auch Entspannung.
Okay, Vergnügen ist nicht die Stärke von Türstehern. Wie sie in ihrem Blog urban-night-life beschreibt, sind Türsteher keine Bespaßer. Sie machen keine Witze und reagieren auch nicht selten gereizt auf die Witze der Gäste. Kein Wunder, wenn man sich die Arbeitsbedingungen ansieht. Die meisten Türsteher arbeiten die ganze Nacht durch, und viele haben noch einen Vollzeitjob am Tag, eine Familie oder ein tagaktives Hobby. Da fehlt Schlaf. Auch gibt es keine Pausen, ein Türsteher ist immer auf Achse, ohne bequeme Sitzgelegenheit, viele Nächte im Jahr in der Kälte. Er ist immer am Beobachten, am Beurteilen, am Abchecken ob irgendwo Ärger lauert. Und der Job ist nicht ungefährlich. So mancher Gast wird handgreiflich und gelegentlich gibt es Ärger mit der Polizei. Kein leichter Job also. Leicht hingegen ist die Bezahlung. „So’n 10er oder vielleicht auch 15“, sagt Christine Preiser. Kein Traumjob also. Und doch, so lässt Christine Preiser durchblicken, ein Lebensgefühl.
„Hat sich dein Ausgehverhalten verändert?“ fragt jemand nach dem Vortrag. Diese Frage bekommt Christine Preiser oft. Und sie hat gute Antworten. Sie versteht jetzt besser, was in den Türstehern vor sich geht. Aber nein, sie kommt trotzdem nicht in jeden Club rein. Will sie auch nicht. Wenn sie nicht ins Schema des Clubs passt, wird sie sich dort auch nicht wohlfühlen. Also bleibt sie lieber draußen. Und wenn sie drin ist? Dann weiß sie jetzt, dass die Türsteher auf ihrer Seite sind, wenn sie angequatscht und begrabscht wird. Denn genau das ist der Job des Türstehers: dafür sorgen, dass sich die Gäste wohlfühlen und keiner Ärger macht.
Christine Preiser berichtet in ihrem Blog urban-night-life von ihrer Arbeit. Ihre Doktorarbeit wird irgendwann als Buch erscheinen. Der Vorgeschmack am Mittwoch Abend verspricht ein Buch mit vielen interessanten Geschichten und spannenden Einsichten in eine nächtliche Welt, die vielen von uns, auch den begeisterten Clubgängern, doch weitgehend verborgen bleibt.
Beitragsfoto von mjtrimble über Pixabay.
2 Replies to “Von Türsteher und Vergnügungssuchenden”
Die Sicherheitsbranche ist immer mehr am Boomen und das „alte Bild“ eines Türstehers ist schon längst überholt. Wir machen unseren Jobn gerne und haben auch Spaß dabei 🙂
Ich denke schon, dass der Sicherheitsdienst heute auf jeden Fall als Job angesehen ist. Immer mehr wird die Security gebraucht, nicht nur als Türsteher. Viele unterschätzen auch, wie wichtig sie sind. Danke für den Beitrag!