Wunderlicht LED: Warum die Welt heller wird

Wunderlicht LED: Warum die Welt heller wird

Die Erde bei Nacht, zusammengesetzt aus Bildern des Visible Infrared Imaging Radiometer Suite Day-Night Band (VIIRS DNB) (courtesy of Chris Elvidge, NOAA National Geophysical Data Center)

Gerade haben wir wieder eine Klimakonferenz hinter uns gebracht, in der die Mächtigen darüber diskutiert haben, wie wir die Welt retten können. Dabei ist die Reduktion des CO2-Ausstoßes das Hauptthema. Seien wir ehrlich, alle Länder tun sich schwer damit, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, doch vor einigen Jahren erschien ein Lichtstreifen am Horizont der Beleuchtungstechnologie: die LED. LEDs verbrauchen deutlich weniger Strom als herkömmliche Leuchtmittel und halten laut Hersteller länger. Ein Grund für viele Städte, ihre Straßenbeleuchtung auf LEDs umzurüsten. Dazu werden noch weiter Argumente angeführt: Das weiße Licht der LED ermöglicht eine bessere Farberkennung, die Sicht ist besser als bei den orangenen Natrium-Dampflampen und LEDs können besser ausgerichtet werden, so dass das Licht nur dorthin fällt, wo es benötigt wird. Nämlich auf die Straße und nicht in den Himmel oder die Wohnhäuser. Ein rundum nachhaltiges, umweltfreundliches Produkt also. Oder?

Einige Wissenschaftler um den Verlust der Nacht Physiker Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam haben sich nun die Frage gestellt, ob Energieverbrauch und Lichtverschmutzung wirklich gesunken sind. Dazu haben sie Satellitenbilder des Visible Infrared Imaging Radiometer Suite Day-Night Band (VIIRS DNB) ausgewertet. Dieser Sensor ermöglicht erstmals, global eine kalibrierte Messung der Helligkeit auf der Erde zu messen, und das mit einer Genauigkeit von fast 750 m.

Interessiert hatten die Forscher drei Fragen: Wie veränderte sich die Helligkeit auf nationaler Ebene, wurden bereits beleuchtete Gebiete heller und kamen neue beleuchtete Gebiete dazu. Die Ergebnisse sind, um es klar zu sagen, erschreckend.

Weltweit nahm die Helligkeit zwischen 2012 und 2016 um durchschnittlich 2,2% pro Jahr zu. Diese Zunahme zeigte sich vor allem in Südamerika, Afrika und Asien, also in Regionen, die wirtschaftlich weniger stark entwickelt sind. In bereits sehr hell beleuchteten Ländern wie Italien, Niederlande, Spanien und den USA blieb das Helligkeitsniveau auf nationaler Ebene konstant. Nur wenige Länder, darunter Yemen und Syrien, sind dunkler geworden.

Das Diagramm zeigt die Veränderung der beleuchteten Fläche (A) und der Helligkeit der beleuchteten Flächen (B) auf nationaler Ebene zwischen 2012 und 2016. Blau bedeutet weniger, rot mehr Helligkeit. Gelbe Länder blieben in ihrer Beleuchtungsstärke unverändert. Global nahm die Helligkeit innerhalb der fünf Jahre um 9,1% zu (Abbildung 1 aus Kyba et al. 2017).
Das Diagramm zeigt die absoluten Veränderungen in der Helligkeit mit feinerer Auflösung. Zunahmen gab es vor allem dort, wo bereits vorher hell beleuchtet war. Der Bereich oberhalb des jeweils 60. Breitengrades wurde nicht analysiert, um Verfälschungen durch Polarlichter zu vermeiden (Abbildung 2 aus Kyba et al. 2017).

Wie in jeder Studie gibt es auch hier ein paar Schwachstellen. So ist der DNB-Sensor in einem Bereich zwischen 400 und 500 Nanometer, also in einem Bereich, in dem LEDs stark abstrahlen, unempfindlich. Städte, die von langwelligen Natriumdampflampen auf kurzwellige LEDs umgerüstet haben, erscheinen auf den Satellitenbildern daher dunkler, unabhängig von der realen Helligkeit. Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass der angegebene Zuwachs an Lichtverschmutzung höher ist als in der Studie berechnet.

Das Beispiel von Mailand zeigt die Auswirkungen der Umrüstung auf LED: Farbfoto von Astronauten aus 2012 (A) und 2015 (B), zur Verfügung gestellt von Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center, Aufnahme des DNB Sensors (C): Die LED beleuchteten Bereiche leuchten weiß zúnd erscheinen dem menschlichen Auge heller als Natriumdampflampen , werden vom Sensor aber dunkler angezeigt (Abbildung 5 aus Kyba et al. 2017).

Ein weiterer Effekt, der die Auswertung beeinflusst, ist Skyglow. Dieser entsteht, wenn Licht in der Atmosphäre gestreut und dadurch über eine größere Fläche verteilt wird. Dadurch können schwach oder nicht beleuchtete Regionen heller erscheinen. Kurzwelliges Licht wie von kalt-weißen LEDs abgestrahlt, erzeugt mehr Skyglow, auch hier ist also davon auszugehen, dass die Unempfindlichkeit des Sensors im LED-relevanten Bereich die Werte nach unten verfälscht. Der negative Effekt von Skyglow vor allem auf wasserlebenden Organismen wurde in verschiedenen Studien gezeigt.

Fotografie von Calgary, Kanada, aufgenommen von der Internationalen Raumstation am 27. November 2015. Viele Bereiche haben auf kalt-weiße LEDs umgerüstet, Außenbereiche wurden neu beleuchtet. ( NASA’s Earth Observatory/Kyba, GFZ)

Die gemessene Zunahme der Helligkeit bestätigt eine Erfahrung, die an vielen Orten gemacht wird, an denen Straßenbeleuchtung durch LEDs ersetzt wird: Die Einsparungen im Energieverbrauch der einzelnen Lampe wird genutzt, um mehr oder heller zu beleuchten. Auch führen die Einsparungen in bereits beleuchteten Stadtteilen dazu, dass die Beleuchtung neuer Stadtteile finanziert werden kann. Kyba et al. konnten zudem zeigen, dass die Menge des Lichts mit dem Bruttosozialprodukt eines Landes steigt. In einer Studie aus 2010 geben Tsao et al. an, dass Länder, unabhängig von der historischen und geographischen Lage, ungefähr 0,7% ihres Bruttosozialproduktes für Beleuchtung ausgeben. So kommt es zu einem Rebound-Effekt, bei dem effizienteres Licht mehr Licht erzeugt. Die angestrebte Einsparung an CO2, so vermuten Kyba et al., bleibt aus oder ist nur minimal.

Die Argumente für eine verstärkte Beleuchtung klingen erstmal sinnvoll. Mehr Licht, so die weit verbreitete Meinung, macht den Straßenverkehr und ein Gebiet sicherer und erhöht damit die Lebensqualität der Anwohner. Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine durchweg positive Auswirkung von Beleuchtung auf Kriminalität gibt es nicht, hier  gilt nicht viel hilft viel, sondern richtig beleuchten. Dies gilt auch für den Straßenverkehr. Das Abschalten der Autobahnbeleuchtung in Belgien erhöhte nicht die Unfallzahlen. LEDs hingegen können, wenn schlecht installiert, zu Blendung führen.

Bleibt das Argument der Lebensqualität. Die Medien sind voller Berichte von Anwohnern, die mit Entsetzen auf neu-installierte kalt-weiße LEDs reagieren. Es zerstöre die Atmosphäre, klagen viele, besonders in Altstädten und Wohngebieten. Gerade diese Woche rief mich eine verzweifelte Frau an, die ihre morgendliche Joggingrunde aufgeben musste, weil sie durch das grelle LED-Licht Kopfschmerzen bekommt. Beschwerden über Schlafstörungen sind nicht selten. Studien zeigen erhöhte Risiken unter anderem für Krebs, Übergewicht, Diabetes und Depressionen in hell beleuchteten Regionen. Dass kalt-weißes LED-Licht unsere zirkadianen Rhythmen beeinflusst wurde inzwischen mehrfach belegt. Auch die negativen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt sind nicht von der Hand zu weisen.

Neu-installierte LED-Beleuchtung einer Sackgasse in einem Wohngebiet (Foto: Krop-Benesch)

Gibt es eine Lösung? Die Ergebnisse lassen für’s Erste die Hoffnung auf LEDs als Weltretter sinken. Dabei könnte es einfach sein. Die europäische DIN 13201 empfiehlt für Nebenstraßen eine mittlere Beleuchtungsstärke von 2 bis 15 Lux, wobei 3 bis 5 Lux nach Meinung vieler Experten völlig ausreichen. Umgerüstete Straßen werden deutlich höher beleuchtet, so das hier abgebildete Beispiel einer Sackgasse im Wohngebiet einer Kleinstadt, bei der ich unterhalb der Lampe 41 Lux messen konnte. Eine Anwohnerin berichtete, sie werde beim Autofahren so stark von dem Licht geblendet, dass sie nicht sehen könnte, ob sich jemand auf der Straße befände. Auch die Hausfassaden und Innenräume werden im hohen Maße mitbeleuchtet.

Viel Energie ließe sich also damit sparen, die Beleuchtungsstärke auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren. Kyba et al. zeigen, dass in Deutschland die Helligkeit pro Kopf nur ein Drittel der USA beträgt – ohne Einschränkungen in Wohlstand und Sicherheit. Hilfreich ist auch eine zeitlich gezielte Nutzung von Licht. Smarte Beleuchtungskonzepte beinhalten Bewegungsmelder zum Dimmen oder Abschalten der Beleuchtung, auch in Abhängigkeit von den Wetterbedingungen, doch selbst ein nächtliches Abschalten von Straßenbeleuchtung, wie in vielen deutschen Gemeinden üblich, kann Sinn machen. LEDs erlauben zudem, Licht gezielt dorthin zu lenken, wo es benötigt wird. Durch Wahl von passender Leuchte und Standort kann Licht effizienter genutzt werden und geht nicht verloren.

Ein wichtiger Faktor im Hinblick auf Ökologie und Gesundheit ist auch die Lichtfarbe. Kalt-weiße LEDs sind die energieeffizientesten und zur Zeit auch günstigsten Leuchten auf dem Markt. Sie haben nach heutigen Wissen aber auch den stärksten negativen Einfluss auf die biologischen Rhythmen und beispielsweise auf Insekten. Warm-weiße LEDs verbrauchen zwar geringfügig mehr Energie, sind aber weniger schädlich für Umwelt und Gesundheit. Noch besser sind Amber-LEDs mit ihrem warmen, orange-roten Licht.

Skyline von Singapur. (Foto von Mike Eneria via Unsplash)

Zuletzt sollten wir uns noch einen anderen Gedanken machen: Licht als Kunst. Beleuchtete Gebäude und Brücken sind heute aus unseren Städten nicht mehr wegzudenken. Auch kleine Gemeinden richten Scheinwerfer auf ihre Kirchen, Burgen und historischen Rathäuser. LED-Technologie eröffnete dabei neue Möglichkeiten, und so kann auch der Privatmann sein Haus in ein Lichtermeer verwandeln. Doch wie viel ist uns diese Kunst wert? Sind wir bereit, dafür Schäden an Umwelt, Gesundheit und Klima hinzunehmen? Einige Lichtdesigner haben die Schönheit der Kontraste zwischen Dunkelheit und Licht entdeckt und wollen weg von zu viel Licht hin zu gezielten Akzenten. Und vielleicht sollten wir öfter mal abschalten und die Schönheit und Ruhe der Nacht genießen.

Quelle:

Christopher C. M. Kyba, Theres Kuester, Alejandro Sánchez de Miguel, Kimberly Baugh, Andreas Jechow, Franz Hölker, Jonathan Bennie, Christopher D. Elvidge, Kevin J. Gaston and Luis Guanter: Artificially lit surface of Earth at night increasing in radiance and extent. Science Advances 3(11): e1701528. DOI: 10.1126/sciadv.1701528

J. Y. Tsao, H. D. Saunders, J. R. Creighton, M. E. Coltrin, J. A. Simmons, Solid-state lighting: An energy-economics perspective. J. Phys. D Appl. Phys. 43, 354001 (2010).

 

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